Bach mal ganz anders - Improvisationen vom Feinsten

 

Klaus der Geiger und Marius Peters begeistern bei kabelmetal

 

Wenn Klaus der Geiger und der Gitarrist Marius Peters zum Konzert aufschlagen, weiß man nie, was sie spielen werden. Vielleicht wissen sie es selber nicht und lassen sich von der Stimmung im Publikum animieren. Was man aber immer weiß: Ihre Stücke sind nachdenklich, poetisch, zornig, euphorisch, überraschend. So auch am Sonntag, 4.9.2022 bei kabelmetal in Windeck.

 

Die KulturInitiative Windeck hatte eingeladen zu einem Konzert im Rahmen ihrer Klassikreihe. „Free Bach“ steht im Programmheft. Klaus und Marius improvisieren über J. S. Bach. Sie befreien seine Musik aus ihrem kompositorischen Korsett. Solche musikalischen Befreiungsschläge haben sie mit „Free Piazolla“, „Free Paganini“ und „Free Beethoven“ in Windeck bereits gewagt. Jetzt nun begeistern die beiden Musiker mit „Free Bach“.

 

Warum Free Bach? „Wir haben während der Coronakrise viel Zeit gehabt, uns mit Neuem zu beschäftigen“, sagt Klaus. „Und über Bach zu improvisieren ist eine Herausforderung, dafür brauchst Du einfach freie Zeit. Und die hatten wir. Viele Konzerte sind ja weggefallen.“ „Das war hart für uns“, ergänzt Marius Peters, „aber in dieser schweren Zeit gemeinsam etwas Neues zu machen, das war einfach gut.“ Und es ist gelungen. Sie  brillieren mit der Violin Partita BWV 1003 – hingebungsvoll schmelzend das Adagio, dann explosiv temperamentvoll das Allegro. Nach der Pause wird Bach wieder zitiert und fantasievoll variiert mit der Violin Partita BWV 1004: So haben wir die Gigue noch nie gehört. Marius toppt die Bach-Exkursionen mit der Chaconne. Schnellere Läufe der Finger über die Saiten hat man selten gesehen. Er spielt dieses Stück gern dem „Zwerg“, seinem im Sommer geborenen Sohn, vor, der seine helle Freude an dem rasanten Fingerspiel hat. Klaus sorgt noch für eine unerhörte Überraschung. Er improvisiert über die Buchstaben des Namens Bach: Eine virulente musikalische Reise in den Tonlagen B, A, H und C. Virtuos!

 

Natürlich dürfen bei einem Auftritt von Klaus der Geiger seine politischen musikalischen Provokationen nicht fehlen. Er reizt seine Stimmbänder und bringt die Saiten seiner Geige zum glühen mit kritischen Anspielungen auf Oligarchen und perverse Führer und versöhnt uns mit einer alten heiligen Melodie, die ihm von einem peruanischen Musiker geschenkt wurde, und singt dazu mahnend „Erde, wir sind Deine Kinder“. Marius Peters zeigt, was ein vielfach ausgezeichneter Konzertgitarrist aus seinem Instrument an Klängen und Rhythmen herausholen kann: feinsinnige ausdrucksvolle Melodien und lebhafte, geradezu flammende Tonfolgen. Genial!

 

Gut zwei Stunden voller rauschhafter Klangerlebnisse und provozierender und besinnlicher Texte fordern das Publikum immer wieder zu Beifallsstürmen heraus. Dabei muss man auf alles gefasst sein. Klaus und Marius  spielen ein Stück an, wie man es gewohnt ist, lassen es dann aber musikalisch total abstürzen. Und entfalten danach einen musikalischen Zauber voller Ekstase. Grandios!

 

Krönender Abschluss: „Das Leben ist schön“. Eine euphorische Hommage an unseren Lebensmut trotz aller Widrigkeiten. Klar, das Publikum fordert die Zugabe. Die kommt in Form einer Hommage von Marius Peters an Klaus den Geiger: „The Fiddler“.  Einige tanzen dazu. Und alle spenden standing ovations für zwei unnachahmlicher Musiker, die das Beste aus der Musik herausholen: Nachdenklichkeit und  Freude.

 

Text: Jürgen Orthaus, Bilder: Jürgen Jenniges